Dressurpferd mit Doktortitel

Veröffentlicht in Auktionsbroschüre Verdener Auktion 2015

Er trägt den Spitznamen „Mini“ und hat einen Doktortitel. Die Rede ist von dem erfolgreichen Dressurpferd Doktor Schiwago, der mit seiner Reiterin Florine Kienbaum auf dem internationalen Parkett durchstartet.

Besonders dann, wenn man neben dem Rappwallach steht und man feststellt, dass er gar nicht so mini ist. Ganz im Gegenteil. Mini ist ein sehr großes Pferd mit imposanter Erscheinung. Seinen Spitznamen hat er also mit einem Augenzwickern erhalten und er bezieht sich mehr auf sein liebevolles Wesen als auf seine Größe. Sein Vater ist Don Frederico. Dem ist er wie aus dem Gesicht geschnitten. Don Frederico ist ebenfalls Vater des Erfolgspferdes Diva Royal, die mit Dorothee Schneider erfolgreich bei den Olympischen Spielen 2012 in London war und auch ebenfalls Vater des Vorzeigepferdes von Isabell Werth Don Johnson FRH.

Spätestens seit den Europameisterschaften der U25 in Hagen im Juni kennt ihn ein jeder, den Doktor Schiwago. Dort gewann er mit seiner Reiterin Florine Kienbaum die Mannschaftsgoldmedaille mit der deutschen Equipe und in der Einzelwertung die Silbermedaille. Dabei ist der Don Frederico/Weltruhm-Sohn in der Pferdeszene kein unbekannter, war er sogar im Finale prestigreichen Louis D’Or-Preises in Frankfurt 2014. Aber alles der Reihe nach. Seine Karriere begann schon im Fohlenalter. In Verden. Sein Züchter Peter Henning Reinstorf stellte Doktor Schiwago als Fohlen zur Fohlenauktion 2004 aus. Dor kam er mit der Nummer 103 und dem Namen Domino zur Versteigerung und gehörte zu den begehrtesten Dressurfohlen der Kollektion.

Eine Stammkundin aus Schweden sicherte das junge Dressurtalent. Fünf Jahre später kam Domino alias Doktor Schiwago zurück nach Deutschland – als gereiftes und schonend ausgebildetes Dressurpferd. Eine Zulassung zur 120. Elite-Auktion im April 2009 war eine Selbstverständlichkeit. Die Auktionsleitung beschrieb ihn in der Auktionsbroschüre wie folgt: „Mit imposanter Größe und viel Linie gekennzeichneter Dressurnachwuchs Sie überzeugen wird!“  Seine Käuferin von damals wechselte nun die Seiten und wurde zur Verkäuferin. Auktionsreiter Dirk von der Lieth hatte Doktor Schiwago in der Auktionszeit in Beritt und war begeistert von der täglichen Motivation des Rappen. In der Kollektion der 120. Elite-Auktion befand sich Doktor Schiwago in bester Gesellschaft so. So war u. a. auch die  Stute Rock‘ Rose v. Rubin Royal/Feiner Stern in der selben Kollektion, die heute erfolgreiches Grand Prix Pferd mit Dorothee Schneider ist. 

Von Janina Siemers auf der Auktion entdeckt und bis zur schweren Klasse des Dressursports auf Turnieren erfolgreich vorgestellt, wechselte Doktor Schiwago im April 2013 in den Besitz von Florine Kienbaum. Aber das war nicht einfach so, sonders als große Überraschung. Er war ihr Geburtstagsgeschenk von ihren Eltern. Die zwar noch junge, aber dennoch sehr erfahrene Championatsreiterin konnte nahtlos an die Erfolge in der schweren Klasse anknüpfen. In der reiterlichen Ausbildung von Doktor Schiwago begleitete sie der Experte Oliver Oelrich, der in der Turniersaison 2014 selbst im Sattel saß und direkt ins Finale des Louis D’Or Preises, einer hochdotierten Prüfungsreihe für Grand Prix Nachwuchspferde, steuerte. Als Trainer kannte er Doktor Schiwago in – und auswendig und unterstützt Florine beom Training und in der Turniervorbereitung.

Florine, die bereits im Ponykader und mit ihrem Pferd Don Windsor OLD internationale Erfolge in der jungen Reiter-Tour sammeln konnte und erfolgreiches Teammitglied  in der deutschen Equipe bei den Europameisterschaften der jungen Reiter in Compiegne/Frankreich war, überzeugte den Bundestrainer auch mit Doktor Schiwago auf Anhieb. Wie sich später herausstellte, war es eine gute Entscheidung, das paar Kienbaum mit dem Hannoveraner Wallach für die Europameisterschaften U25 in Hagen zu nominieren. Gold im Team und Silber im Einzel sind die Ergebnisse. Florine erinnert sich noch heute, dass sie beim Abreiten ein sehr gutes Gefühl hatte. Doktor Schiwago war in Bestform und bereit alles zu geben. Als erste Starterin lag eine große Bürde auf der jungen Reiterin. Als sie im Sattel saß, nahm ihr Mini alle Sorgen, erzählt sie im Interview. Aus Hagen mit der persönlichen Bestleistung zurück, hat sich Mini erst mal ein paar  Tage Erholungspause verdient. „Unsere Pferde kommen jeden Tag zwei Mal raus“, erzählt Florine und ergänzt: „Ein Mal an Tag werden sie geritten und dann kommen sie raus auf die Wiese. „Gerade Mini braucht viel Bewegung. Das macht ihn ausgeglichen“, erzählt Ferdi Kurz, der Lebensgefährte von Florine, der mit ihr gemeinsam den kleinen Turnierstall in Telgte betreibt.

Für den Hannoveraner Verband als Veranstalter des internationales Dressur- und Springfestivals in Verden Anfang August war es natürlich eine besondere Ehre, Florine Kienbaum und ihren Doktor Schiwago als Teilnehmer begrüßen zu dürfen. Sie hat Mini für den Piaff Förderpreis genannt, einer Turnierserie extra für junge Reiter auf dem Weg in den Spitzensport, deren Finale im November in Stuttgart gefeiert wird. Die Teilnahme von Florine mit dem ehemaligen Verdener Auktion war Anlass genug, die sympathische Reiterin und studierte Sport- und Eventmanagerin zum Interview zu treffen, um mit ihr über Doktor Schiwago zu sprechen: „Ich glaube an ihn. Er kann das!“ waren ihre Eingangsworte. “Galopppirouetten und Galoppwechsel sind für ihn ein Kinderspiel, schwärmt sie und verrät, dass hingegen die Traversalen nicht zu seinen Lieblingslektionen gehören. „Er hat viel in der letzten Zeit gelernt. Auch die Traversalen werden jedes Mal besser und besser. Auf die Frage wie das tägliche Training mit Doktor Schiwago aussieht antwortet Florine: Das ist ganz unterschiedlich. Wir fangen immer mit einer entspannten Lösungsphase im vorwärts-abwärts an. Danach entscheide ich, wie das Training aussehen soll und an was wir arbeiten müssen. Oft entscheide ich mich aber auch einfach nur für einen schönen Ausritt im Galopp im leichten Sitz. Das macht Mini besonders viel Spaß!“

Nicht nur ihr Trainer Oliver Oelrich und ihr Lebensgefährte Ferdi Kurz haben ihr für die beiden Prüfungen in Verden die Daumen gedrückt, sondern auch die Mitarbeiter des Hannoveraner Verbandes. „Es ist immer schön, wenn ehemalige Auktionspferde als Erfolgspferde nach Verden kommen, sagt der 1. Vorsitzende des Hannoveraner Verbandes Manfred Schäfer. Es lag bestimmt nicht allein am Daumendrücken aller Fans am Rande der Grand Prix Arena, sondern an der enormen Leistung von Florine Kienbaum und Doktor Schiwago. Als Favoriten sind sie an den Start gegangen und haben die Einlaufprüfung sowie die Finalprüfung gewonnen. Mit 70,83 gewann das Paar die goldene Schleife.