Der talentierte Mr. Bouten

Veröffentlicht in DER HANNOVERANER 05/2017

Gelernt bei den Besten und heute selbst einer der gefragtesten Dressurausbildern Deutschlands. Matthias Bouten – Newcomer und Shootingstar ist er schon lange nicht mehr. In der Dressurszene hat er sich einen Namen gemacht und steht für gefühlvolles Reiten

 

335 Kilometer sind es von Verden nach Sonsbeck. Das sind knappe dreieinhalb Stunden Autofahrt. Sonsbeck liegt in Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt im Kreis Wesel. Kurz vor der Ankunft führt der Weg über die A 57 an der Autobahnausfahrt „Rheinberg“ vorbei. In Rheinberg wohnt Dressurikone Isabell Werth. Ihr Stall ist zwar heute nicht das Reiseziel, hat aber indirekt mit dem Besuch bei Dressurreiter Matthias Bouten auf seiner Anlage Giesenin in Sonsbeck zu tun. Der Stall liegt unweit der Autobahnausfahrt. Das ist sicherlich eine praktische Angelegenheit – Turnierreiter sind viel und oft unterwegs und lernen, schnelle Autobahnanbindungen zu schätzen. Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe gewesen, warum Ellen Schulten-Baumer und Tom Berg sich jahrelang auf der Anlage so wohl gefühlt haben. Einladend gepflegt, dabei aber nicht protzig wirkt die Anlage beim Passieren der Hofeinfahrt. Der Kies knirscht unter den Reifen, und die Bepflanzungen rechts und links des Weges zeigen sich im frischesten Grün. „Matthias reitet noch in der Halle“, begrüßt Mitarbeiterin Jill Poppe freundlich.

Die Halle hat keinen Spiegel. „Sie brauchen keinen Spiegel, Herr Bouten?“ – „Es ist schön einen zu haben, aber ist nicht unbedingt notwendig. Er verleitet dazu, dass man zu viel in den Spiegel schaut und weniger auf das Gefühl im Sattel achtet“, sagt   Matthias Bouten und pariert am Einritt durch. Er reitet gerade Dante Delux MJ. Den imposanten Hengst erkennt man sofort. Er sieht zufrieden und relaxed aus. Natürlich ist Dante Delux MJ das erste Pferd, über das gesprochen wird. He is back – er ist zurück! Und die Freude darüber ist Matthias Bouten deutlich ins Gesicht geschrieben. Der 33-Jährige ist in der Reiterszene kein Unbekannter. Bei Bundeschampionaten, Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde und bedeutenden Championaten wie Frankfurt und München war er bereits erfolgreich. Er galt als bekanntester angestellter Bereiter in Deutschland, war er doch sieben Jahre bei Isabell Werth angestellt. Heute ist er aus dem Schatten der erfolgreichen Dressurreiterin herausgetreten und hat sich einen eigenen Namen als Pferdeausbilder und Turnierreiter gemacht. Und das mit Erfolg.

Er hat sich einen Traum erfüllt, als er sich mit seinem Lebenspartner Vicent Arroyo mit einem eigenen Turnier- und Ausbildungsstall selbständig machte. Vicent Arroyo war ebenfalls zuvor bei Isabell Werth angestellt. Dort haben sich die beiden kennengelernt und gehen nun privat und beruflich gemeinsame Wege. Die beiden Dressurreiter ergänzen sich hervorragend in ihrer täglichen Arbeit und arbeiten nach denselben Leitlinien der Ausbildung von Pferden. Das sieht man nicht nur zu Pferde, sondern auch beim Betreten des Stalls. Es fällt auf, dass alles an seinem Platz liegt, ohne dabei übertrieben akkurat zu wirken. Hier wird gearbeitet – praktische und kurze Wege sind deshalb wichtig. 24 Pferde im Alter von drei bis 13 Jahren haben Matthias Bouten und Vicent Arroyo in Beritt, 14 von ihnen sind älter als sieben Jahre, also im besten Dressurpferdealter. „Wir haben den Fokus eher auf die Ausbildung bis zum Grand Prix gelegt“, erzählt Matthias Bouten im Reiterstübchen. Freundlich, höflich und gut gelaunt bietet Matthias Bouten Getränke an.

Es ist 12.30 Uhr. Eigentlich die übliche Zeit für eine Mittagspause. Nicht für den Ausbilder. Er ist ein Macher, einer, der ständig etwas zu tun haben muss. Das merkt man auch beim Gespräch. Ruhig sitzen kann er scheinbar nur im Sattel. Die erste Frage dreht sich natürlich um Isabell Werth und darum, welche Rolle diese Zeit in Matthias Boutens Leben spielt. Er schmunzelt. Man sieht ihm an, dass das die am häufigsten gestellte Frage ist. Er beantwortet sie aber gerne, da diese Zeit bis heute eine ganz besondere war, in der er  viel gelernt und die ihn stark geprägt hat. „Alles, was ich reiterlich bin und kann, habe ich von Isabell gelernt. Es war in jeder Hinsicht eine tolle Zeit, an die ich immer gerne zurückdenke“, erzählt der gelernte Pferdewirt. Seine Ausbildung zum Bereiter absolvierte er bei Hans Rueben in Aachen und ritt danach für Heike Kemmer und Rudolf Zeilinger, bevor er sieben Jahre in Rheinberg für den Werth‘schen Dressurstall tätig war. „Vom jungen Dressurpferd bis hin zum Grand Prix-Pferd durfte ich bei Isabell in allen Klassen reiten. Dadurch hat sie meinen Reitstil sehr geprägt, und dafür bin ich ihr sehr dankbar“, lächelt der Rheinländer.

Apropos Reitstil – da knüpft direkt die zweite Frage an: „Sie sind mittlerweile zum Aushängeschild für feines Reiten geworden. Was macht Ihre Art zu reiten so besonders?“ Etwas verlegen schaut Matthias Bouten auf den Tisch, nimmt die Wasserflasche in die Hand, stellt sie wieder zurück. Es macht den Eindruck, als wäre er sich seiner besondere n Fähigkeit, Pferde zu reiten, nicht ganz bewusst. Dabei wurde er sogar vor großen Publikum beim Nürnberger Burgpokal von Christoph Hess für seine feine Reitweise besonders gelobt und ausgezeichnet. Er antwortet ohne lange zu überlegen: „Meine Arbeit mit Pferden macht mir einfach Spaß. Und das jeden Tag. Ich habe das Glück, mein Hobby zu meinem Beruf gemacht zu haben.“ Als Leitziel hat er den Respekt vor dem Geschöpf Pferd. „Reiten muss Spaß machen – und nicht nur dem Reiter“, lautet seine Devise. Die Philosophie, die er vertritt, schildert er mit Leidenschaft im Gespräch. Es gehe ihm darum, das Pferd als Partner für sich zu gewinnen. Der Weg müsse es sein, das Pferd für sich arbeiten zu lassen. Nur dann sei es zwanglos, und zwangloses Reiten sei das A und O.

Von seiner Lehrmeisterin Isabell Werth hat Matthias Bouten eine der wichtigsten Weisheiten in Sachen Pferdeausbildung übernommen, die bis heute und wahrscheinlich ein Leben lang eine große Bedeutung für ihn und sein Reiten haben wird: „Was leicht ist, ist meist am Besten!“ Da stecke so viel Wahrheit drin, unterstreicht er. Jeder, der schon einmal im Sattel gesessen hat, fragt sich an dieser Stelle: Und wie macht man es, dass alles so leicht ist? Auch diese Frage beantwortet Matthias Bouten entschlossen. Dehnen und Biegen seien unabdingbare Trainingselemente, die elementar und grundsätzlich in das tägliche Reiten eingebaut werden müssen. Losgelassenheit und Durchlässigkeit seien der Schlüssel zum Erfolg.

Durch ständiges Reiten von Übergängen, halben und ganzen Paraden sei dies zu erreichen. Matthias Bouten unterschreibt die klassische Pferdeausbildung zu 100 Prozent. Ihm geht es nicht um das „Pauken“ von Lektionen, bis sie sitzen. „Die Lektionen gelingen bei feiner Hilfengebung, wenn die Pferde locker und durchlässig sind“, ergänzt der gebürtige Wankumer. Für die feinen Abstimmungen bekommt Matthias Bouten Unterstützung von dem erfolgreichen Dressurreiter, Züchter und Trainer Wolfram Wittig. Mehrmals im Monat kommt er zu Trainingseinheiten nach Sonsbeck. Die beiden kennen sich schon seit langer Zeit und haben ein freundschaftliches Verhältnis. „Wolfram gibt mir wertvolle Tipps. Darüber hinaus verstehen wir uns sehr gut und vertrauen uns. Er ist ein ausgezeichneter Trainer und ein toller Mensch mit viel Humor. Er steht mir mit Rat und Tat zur Seite. Ich schätze die Zusammenarbeit sehr!“

Matthias Bouten und seine Hannoveraner
Die Medien haben bereits drüber berichtet. Dante Delux MJ ist wieder zurück im Stall von Matthias Bouten. Als er darauf angesprochen wird, strahlt er über das ganze Gesicht und sagt: „Über die Wiederkehr von Dante Delux MJ habe ich mich sehr gefreut. Er ist ein tolles Pferd. Den mag ich sehr gerne!“ Dante Delux MJ und Matthias Bouten kennen sich schon über fünf Jahre. 2012 bekam er den Danone/Rouletto-Sohn als fünfjährigen Hengst in Beritt. Bereits bei der Verdener Körung 2009 sorgte Dante Delux MJ aus der Zucht von Christin Boekhoff, Friedeburg, für Begeisterung. Als gekörter und gefeierter Prämienhengst wechselte er über den Hengstmarkt in den Besitz von Pferdeentdeckerin Marianne Jerich aus Österreich.

Als treue Verdener Auktionskundin entdeckte sie neben Dante Delux auch den mittlerweile in internationalen Grand Prix-Prüfungen erfolgreichen Söhnlein Brilliant MJ. Auch den Shakespeare in Love/Rabino-Sohn (Z.: Robert Gaus, Hoitlingen) ritt Matthias Bouten zwei Jahre. Highlight des Paares war der Sieg in der Grand Prix-Kür bei den Munich Indoors 2015. Heute ist Söhnlein Brilliant MJ wieder in Österreich. Seine Besitzerin wollte ihn dichter bei sich zu Hause haben. Im Sattel sitzt nun die österreichische Meisterin Belinda Weinbauer. Aber zurück zu Dante Delux MJ. Mit ihm wird die Zusammenarbeit mit dem Hause Jerich weitergeführt. Ein schlechteres Ergebnis als den dritten Platz haben Matthias Bouten und Dante Delux MJ bei all ihren Starts noch nie erzielt. Erste, zweite und dritte Plätze belegte das Paar in Dressurpferdeprüfungen der Klassen L und M. Siege in S-Dressuren folgten und auch die Qualifikation zum Finale des Nürnberger Burgpokals 2015 war reine Formsache. Dafür lösten die beiden in Donaueschingen das Ticket und belegten im Finale Platz drei. Was zeichnet Dante Delux MJ aus? „Da gibt es vieles, sehr vieles“, verrät Matthias Bouten. „Dante ist natürlich schon auf den ersten Blick ein absoluter Ankommer. Aber er verspricht noch mehr. Er macht sich groß, wenn er muss, und klein, wenn er kann. Er besitzt eine wahnsinnige Übersetzung in seinen Bewegungen und eine hohe Grundelastizität. Dazu ist er in der Lage, seine großen Bewegungen auch klein zu machen. Das ist natürlich sehr wichtig für die Versammlung“, schwärmt Matthias Bouten. Die Turnierplanung sieht die Louisdor-Preis-Tour vor. Ganz ohne Druck und ganz in Ruhe soll Dante Delux MJ wieder in Sonsbeck ankommen. Der Hengst, der nicht im Deckeinsatz ist, bestimmt selbst, wann er für weitere Aufgaben bereit ist. Er bekommt die Zeit, die er braucht.

„Ein kleines Traumpferd“ – so nennt Matthias Bouten einen weiteren Hannoveraner im Stall. Es geht um keinen Geringeren als Bodyguard, den achtjährigen Hengst v. Burlington/Pik L. aus der Zucht der ZG Frieling aus Balge. Seit einem Jahr ist Bodyguard bei Matthias Bouten. Er hat ihn von Jana Freund übernommen, die ihn erfolgreich unter anderem bei den Bundeschampionaten vorstellte. 2013 gewann Bodyguard die Silbermedaille bei den vierjährigen Hengsten und im Folgejahr Bronze bei den fünfjährigen Dressurpferden. Nach Jana Freunds Weggang von der Hengststation Ferienhof Stücker kamen Inhaber Josef und Christiane Wilbers auf Matthias Bouten zu und fragten ihn, ob er sich eine Zusammenarbeit mit Bodyguard vorstellen könne. Nicht nur aus der langjährigen Verbundenheit zu Familie Stücker (Matthias Bouten absolvierte dort im Alter von 14 Jahren ein Praktikum), sondern weil er von Bodyguard von Anfang an überzeugt war, stimmte er zu. „Bodyguard ist ein enorm hübsches Pferd! Und dazu zu 100 Prozent ehrlich!“, beschreibt ihn der Ausbilder. Und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Mit über 70 Prozent gewann die neue Paarung bereits ihre ersten S-Dressuren. Der Weg ist klar. Bodyguard ist ein Pferd für die Nürnberger Burgpokal-Tour. Er wolle alles richtig machen und sei stets beim Reiter. Genau das schätzt Matthias Bouten so an ihm. „Er hat einen überragenden Schritt. Jetzt arbeiten wir noch etwas an der Stärkung der Rückenmuskulatur, damit er Kraft für die weiteren Aufgaben bekommt. An Talent und Einstellung bringt er alles mit.“

Im Gespräch über seine Pferde stellt Matthias Bouten fest, dass er sogar eine Verdener Auktionspreisspitze im Stall hat und für ihre weitere Förderung verantwortlich ist: die 2009 geborene St.Pr. A. Svea v. Sandro Hit/Brentano II. Wie bei Bodyguard kommt ihr Züchter aus Balge: Sie stammt aus der Zucht von Friedrich Decke. Als gefeiertes Spitzenpferd der Verdener Auktion im Januar 2013 präsentiert sie sich vier Jahre später als gereiftes Dressurpferd. Seit zwei Jahren ist sie bei Matthias Bouten und entwickelt sich großartig. Der liebt ihren Ausdruck in der bedeutenden Trabarbeit und ist von ihrem Talent für Piaffe-Passage begeistert. Mit Stanford hat Matthias ein Pferd in Beritt, das bereits weltmeisterliches Parkett betreten hat. Der Rheinländer Hengst v. Sir Donnerhall/Diamond Hit ist seit Oktober 2016 in seinem Stall und reißt seinen Ausbilder zu Begeisterung hin. Das Paar placierte sich bereits erfolgreich in S-Dressuren für junge Pferde. Seine überragenden Qualitäten hat der Achtjährige aus der Zucht von Anton und Uwe Mengelaers, Geilenkirchen, mit dem vierten Platz bei den Weltmeisterschaften der sechsjährigen Dressurpferde 2015 in Verden unter Beweis gestellt, damals noch mit Dorothee Schneider im Sattel. Stichwort Verden: „Kommen Sie zum Turnier Verden International? „Ja, auf jeden Fall! Verden ist immer ein tolles Turnier. Für uns Reiter wird da viel angeboten und das unter besten Bedingungen“, sagt Matthias Bouten.

Mit der letzten Frage schließt sich der Kreis:  Auf die Frage nach Vorbildern antwortet Matthias Bouten ohne zu zögern: „Ja, die habe ich. Isabell Werth ist ein großes Vorbild für mich. Ihr Umgang mit Pferden, ihre Reitweise und ihr Talent, zahlreiche Pferde für den Spitzensport auszubilden, sind einfach einzigartig! Ein weiteres Vorbild ist Wolfram Wittig. Seine Tipps für eine bessere Feinabstimmung sind großartig. Bei wichtigen Turnieren ist er mit dabei. Als Trainer, Reiter und Mensch halte ich sehr viel von ihm!“